Die Albanesen


Die Albanesen wohnen nicht alle in dem Lande, von welchem ihr allgemein-europäischer Name herstammt, wir finden albanische Kolonien in Serbien, Bosnien, Bulgarien, Kleinasien, Sirmien, Dalmatien, Istrien, Apulien und Kalabrien. In dieser letzteren italienischen Provinz legt der junge Albanese, welcher um die Hand eines Mädchens wirbt, einen Baumstamm, das Bild einer neuen Familie, vor die Haustür der Geliebten. Wird der Baum aufgehoben, ist die Werbung angenommen. Bei der Hochzeit pflegt der Bräutigam, während die neue Frau inmitten ihrer Verwandten durch die Straßen des Dorfes zieht, sich mit Püffen und Stößen den Weg zu ihr zu bahnen, sie gewaltsam zu ergreifen und auf seinen Armen bis an die Schwelle der neuen Wohnung zu tragen, wo ihre Mutter das erschöpfte Paar festlich empfängt und mit einer blauen Binde umgürtet.

In Albanien selbst teilt die albanische Rasse sich in zwei Hauptstämme, den gegischen und den toskischen, von denen der erstere Mittel- und Nordalbanien, der zweite Südalbanien bewohnt. Die nachstehenden Hochzeitszeremonien sind aus der südalbanischen Landschaft Riça im Tal von Argyrokastron.

Die väterliche Gewalt in Vermählungsangelegenheiten ist hier unbeschränkt. Während in andern Gegenden die Einwilligung des jungen Mannes zu einem Ehebündnis gehört, wird der Riçat gewöhnlich mit zehn Jahren bereits verlobt und mit fünfzehn, eher früher als später, verheiratet. Ein einziger Sohn wird sogar selten über drei Jahre alt, ohne eine Braut zu haben, die häufig noch in der Wiege liegt. Man glaubt nämlich, dass der Himmel Verlobten besonders günstig sei, und dass der Akt der Verlobung zur Erhaltung des Lebens beitrage.

Die Mädchen werden überall nicht gefragt, ob sie wollen, nicht bloß in der Riça. Verheiratet werden sie hier mit zwölf Jahren. Sobald die Verlobung bekannt gemacht ist, darf die Braut sich vor dem Bräutigam und seinen sämtlichen Verwandten nicht mehr sehen lassen, und mit keinem von ihnen je ein Wort wechseln.

Der Antrag geht von den Eltern des Knaben aus - sind sie schon tot, von seinen nächsten Verwandten. Im Fall der Annahme von den Eltern oder Verwandten des Mädchens, werden als "Zeichen" der Verlobung ("nischan", wie im Türkischen) alte Gold- oder Silberstücke ausgetauscht, griechische, römische, byzantinische, altitalienische, alle natürlich außer Cours und alle durchlöchert, weil sie von den Frauen im Haar getragen und den Kindern an die Mützen geheftet werden. Sollte, was jedoch nie ohne sehr wichtige Gründe geschieht, ein Rücktausch dieser Münzen stattfinden, so ist damit die Verlobung aufgehoben.

Besteht sie, und es rückt die Zeit heran, welche man für die Hochzeit festgesetzt hat, so begeben sich am Donnerstag oder Sonnabend vor dieser drei Leute des Bräutigams, in der Regel zwei Männer und eine Frau, in das Haus der Braut, wo durch das Wechseln von goldenen oder silbernen Ringen das eigentliche Verlöbnis vollzogen wird. Man legt dieselben mehrmals nebeneinander auf einen Haufen Weizenmehl und wünscht mit der Formel: "Süßes Brot und ungetrennt!" dem Brautpaar Glück und der Verbindung der beiden Familien ewige Dauer. Nach der Zeremonie schmausen die Abgesandten. Bei der Rückkehr in's Haus des Bräutigams werden sie mit Gesängen empfangen.

Da die Braut keine Mitgift erhält, ja, selbst ihre eigenen Kleider zurücklassen muss, so schickt ihr der Bräutigam am Sonnabend vor der Hochzeit ihre Ausstattung, das Brautkleid nebst einem mit Goldstücken besetzten "fés" und einer durch Ortsgebrauch bestimmten Summe, welche hundert Piaster nicht übersteigt. Damit ist die Braut gekauft und von nun an das willenlose Eigentum ihres Käufers und Herrn.


Hochzeits brauchtum


Inzwischen hat die Hochzeit mit dem Montag bereits ihren Anfang genommen. Da an ihm der zum Hochzeitsbrot nötige Weizen von der Freundschaft des Bräutigams unter Gesängen und Salven zur Mühle geführt wird, so heißt er der "Mehlmontag". Sobald der Weizen auf der Mühle ist, darf der Hochzeitstag nicht mehr verlegt werden, es sei denn, dass ein Todes- oder sonstiger Unglücksfall einträte.

Der Donnerstag ist der "Hochzeit-Holztag", an welchem alle Familien, die zur Hochzeit gezogen werden sollen, im Namen des Bräutigams die Aufforderung erhalten, das nötige Holz herbeizuschaffen. Die Formel lautet: "Ihr seid zum Hochzeitsholze geladen." Donnerstag in aller Frühe ziehen die Weiber der geladenen Familien singend nach dem Walde, von wo sie schwer beladen zurückkehren. In den Händen tragen sie Stangen, "bighe" genannt, an welchen ein rotes Tuch oder ein Laubstrauß befestigt ist. So ziehen sie in das Haus des Bräutigams, legen ihre Bürden ab, stecken die Stangen in den Holzhaufen und setzen sich zum Essen.

Dann gehen sie an's Kneten und Backen, denn der Donnerstag ist auch der "Backtag". Diejenige, welche zuerst Hand an den Teig legt, muss eine Jungfrau sein, deren Eltern beide noch am Leben sind. Außerdem muss sie Brüder haben, und zwar je mehr je besser. Eine solche Jungfrau wird, möge sie auch noch so arm sein, doch für besonders glücklich gehalten und soll den Brautleuten ein gleiches Glück bringen.

Während das Brotkneten unter bestimmten Gesängen beginnt, füllt die Vorkneterin sich eine Schüssel mit Teig, macht in der Gesellschaft die Runde und bittet, man möge ihr Geld in den Teig werfen. Den Bräutigam sucht sie mit Teig zu beschmieren und ihm möglichst viel abzulocken. Was sie auf diese Weise sammelt, gehört ihr. Ein andres Mädchen vertritt, geschmückt mit den Festkleidern und Waffen des Bräutigams, an diesem Tage seine Stelle, denn er selbst darf sich erst am Hochzeitstage schmücken. Ist die Arbeit fertig, wird getanzt.

Am Freitag ist Ruhe, am Sonnabend werden die nächsten Verwandten in das Haus des Bräutigams geladen. Jeder muss ein Lamm mitbringen. Die Ankommenden werden mit Gesang durch eigens dazu bestellte Frauen empfangen, welche für die Lämmer mit den Worten danken: "Wir bleiben Euch verbunden, Herr!" Dann wird den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch geschmaust, so dass Viele bei der eigentlichen Hochzeit ein nichts weniger als festfreudiges Gesicht zeigen, sondern übernächtigt und verschlafen darein schauen.

Die eigentliche Hochzeit findet am Sonntage statt, und die ganze Verwandtschaft, sowie sämtliche Freunde sind dazu geladen. Von jeder Familie kommen zwei bis drei Personen, zusammen oft über hundert. Jeder Gast steuert ein Brezelbrot, eine Holzflasche mit Wein und je nach dem Verwandtschaftsgrad oder den Vermögensumständen zwanzig Pará (drei Kreuzer) bis zehn Piaster (einen Gulden) an Geld bei. Der nahe Verwandte, welcher kein Lamm gegeben hat, geht bis zu zwanzig Piaster.

Das Stelldichein ist wiederum im Hause des Bräutigams, aus welchem man in das der Braut zieht. An der Spitze des Zuges befindet sich der Geistliche, dann kommt in der Mitte der Männer der Bräutigam und zwar zu Pferde, so gering die Entfernung zwischen beiden Häusern immer sein möge. Zuletzt folgen die Weiber, die alle jung sein müssen und ein geschmücktes Pferd oder Maultier für die Braut führen. Die Gesänge, unter deren Klang der Zug sich fortbewegt, sind an die Braut gerichtet und ermahnen diese: sich zum Verlassen des Vaterhauses vorzubereiten und nicht zu weinen. An der Tür des Hochzeitshauses erscheint jedoch nicht die Braut, sondern nur deren Mutter, welcher der Bräutigam die Hand küssen muss. Sie hält ein Gefäss mit reinem Wasser, taucht einen Blumenstrauß hinein, besprengt den Bräutigam damit und überreicht ihm dann den Strauss. Er wirft Geld in das Wassergefäß, und sie schenkt ihm ein Taschentuch, welches sie ihm, nach türkischer Sitte lang zusammengelegt, zum Putz über die rechte Schulter hängt.

Ein gleiches Tuch erhält der "wlam", der besondere Freund des Bräutigams, mit welchem der Bräutigam feierlich Brüderschaft geschlossen hat. Das geschieht in der Kirche, wo der Priester ein vorgeschriebenes Gebet über die sich Verbrüdernden spricht, die sich hier und da auch wohl die Haut ritzen, um gegenseitig von ihrem Blute zu trinken. Doch kann der "wlam", der an den altgriechischen "Paranymphos"





erinnert, auch bloß zur Hochzeit gewählt werden, ohne mit dem Bräutigam verbrüdert zu sein. In jedem Falle aber muss er diesen den Gästen gegenüber vertreten, z. B. für ihn danken, wenn dessen Gesundheit getrunken worden ist, denn die Sitte fordert, dass nicht nur die Braut, sondern auch der Bräutigam sich während der Hochzeit durch Schüchternheit auszeichne.

Schüchtern also begibt sich der Bräutigam mit den Männern in ein Gemach, wo dessen ganzer Länge nach ein anderthalb Fuß breites Tuch (mesále) auf den Boden gelegt und reichlich mit Speisen bedeckt ist. Die Männer lassen sich auf gut morgenländisch mit gekreuzten Beinen zu beiden Seiten dieses Tischtuches nieder und halten ihre erste Mahlzeit, bei welcher sie mit den Worten: "Mögen sie leben, sein, und glücklich werden!" fleißig auf die Gesundheit der Brautleute trinken und auch der Wunschformel: "Süßes Brot und ungetrennt!" nicht vergessen.

Die Frauen sind zur Braut gegangen, die einer jeden die Hand küssen muss. Hinter ihr steht die "Schmuckfrau", welcher die Sorge für ihren Putz obliegt. Eine Stunde später wird auch der "wlam" zu ihr gerufen. Er küsst sie auf den Mund, sie küsst ihm die Hand, dann legt er ihr den Gürtel um, zieht ihr die, meistens roten Schuhe an, in welche er vorher als Zeichen der Fruchtbarkeit Reis und Geld gestreut hat, und preist, zu den Männern zurückgekehrt, auf das Eifrigste ihre Schönheit.

Wenn Alles zum Aufbruch fertig ist, stiehlt er zwei silberne Löffel, die zu diesem Zwecke bereit liegen. Können die Leute des Bräutigams, so stehlen sie auch noch etwas Anderes, ein Glas, eine Tasse oder Ähnliches, was jedoch später zurückgegeben wird. Die Braut küsst ihren Eltern und Verwandten die Hände und lässt sich unter einigem Sträuben auf ihr Pferd setzen. Sobald sie oben ist, neigt sie den Kopf drei Mal rechts und drei Mal links gegen das väterliche Haus, um anzudeuten, dass sie auch fern die Ihrigen stets ehren und lieben werde. Der rote Schleier der neugriechischen Bräute, das römische "flammeum", bedeckt sie. Mit Bezug auf diese bräutliche Verhüllung sagt der Albanese im Sinne von "nubere": "Ich bedeckte (anstatt ich verlobte) meine Tochter." Auf gegisch heißt es sogar: "Ich bedeckte meinen Sohn."

Wenn die Braut, dem Zuge des Bräutigams folgend, auf der Hälfte des Weges nach ihrem neuen Hause angelangt ist, so verlassen sie die Verwandten, welche sie bis hierher geleitet, und übergeben sie ausschließlich der Sorgfalt des "wlam". Vor Allen, an denen sie vorüber reitet, neigt sie den Kopf. Die Hauswirte, bei denen der Zug vorbeigeht, müssen den Teilnehmern daran Wein anbieten. Tun sie das nicht, bedeutet es Feindschaft mit dem Bräutigam.

Erreicht der Zug das Haus des Bräutigams, so steigt dessen Mutter auf eine Erhöhung und bewirft unter lauten Segenswünschen zuerst das Brautpaar und dann den ganzen Zug mit Reis. Der Bräutigam sitzt ab, die Braut wird von seinem Vater oder nächsten Verwandten heruntergehoben. Ein kleiner Knabe, dessen Eltern noch leben, denn nur dann gilt er für glückbringend, wird unter dem Pferde drei Mal hin und her bewegt, gleich als wollte man das Pferd gürten. An der Tür, durch welche die Brautleute eintreten, wird ihnen ein Reif vorgehalten und während sie, sich an den Händen fassend, hindurchkriechen, über ihnen zerbrochen, als Zeichen von Vereinigung bis zum Tode. Die Türschwellen, besonders die zu dem Zimmer, wo die Brautkränze sie erwarten, müssen sie mit dem rechten Fuße zuerst überschreiten. Sind sie eingetreten, wird die Braut vom "wlam" entschleiert, indem er mit etwas Silbernem, am liebsten mit dem silbernen Griff einer Waffe, den roten Schleier aufhebt. Bei der nun folgenden Trauung hält der in der griechischen Kirche übliche "Gevatter" die Kronen über den Häuptern des Brautpaares. Diese Gevatterschaften sind nach albanesischem Herkommen erblich in den Familien. Das Haus des Johann ist z. B. der Gevatter der verwandten Häuser Peter und Paul, und der Stammhalter dieses Hauses, gleichviel ob jung oder alt, der geborene Gevatter jener beiden Häuser. Trennt es sich seinerseits in verschiedene Häuser, so wird, wie über die Vermögensteile, auch über die Gevatterschaften durch das Los entschieden. Dies Verwandtsein durch die Gevatterschaft bildet bis zum fünften Grade so gut wie die leibliche Verwandtschaft ein Ehehindernis, und der Fluch des Gevatters gilt für noch verderblicher, als der des eignen Vaters, weshalb





Hochzeitsbräuche Albanien Hochzeitstracht


es denn auch die Täuflingshäuser gegen das Gevattershaus an der höchsten Achtung nicht fehlen lassen. Auch bei der Hochzeit gebührt dem Gevatter der Ehrenplatz, obwohl er weiter nichts tut, als die Kronen halten und den Priester für die Trauung bezahlen.

Sobald diese beendigt ist, setzt man sich zum Mahle. Die Braut steht, die Arme über die Brust gekreuzt und den Kopf gesenkt, in einer Ecke des Gemaches. Der Bräutigam erhebt sich schweigend, so oft auf seine und der Braut Gesundheit getrunken wird. Der "wlam" spricht für ihn.

Dagegen eröffnet er den Tanz, indem er sich an der Spitze der Männerreihe befindet, welche sich Hand in Hand im Kreise bewegt. Plötzlich stürzt er sich auf die Braut, welche unter den Frauen tanzt, ergreift sie bei der Hand, und Beide tanzen zu den folgenden Worten:

Der Rabe raubte ein Rebhuhn.
Was will er mit diesem Rebhuhn?
Um mit ihm zu spielen und zu scherzen,
Um mit ihm das Leben zu verbringen.

Vorläufig ist es jedoch noch nicht so weit. Die Gäste entfernen sich allerdings gegen Abend, nachdem sie die Braut mit Geld beschenkt und diese ihnen die Hände geküsst hat, aber der Rabe schläft bei seinen Freunden und das Rebhuhn mit den Frauen.

Am Montagmorgen führt der "wlam" die Brautleute in ein besonderes Gemach und lässt sie dort drei Mal abwechselnd in ein mit Honig bestrichenes Brot beißen, was natürlich der Bräutigam herzhafter tut, als die Braut. Der Sinn dieses gemeinschaftlichen Genusses ist eine Mahnung an die Brautleute, sich ebenso gut zu vertragen, wie das Brot mit dem Honig.

Dann erscheint die Mutter der Braut mit Zuckerzeug, Backwerk und Branntwein und beglückwünscht ihren Schwiegersohn, der ihr die Hand küsst. Ist auch diese Förmlichkeit vorüber, so begeben sich die Brautleute mit Schüsseln in den Händen an die Dorfquelle, wo sie einander bespritzen sollen. Wie vorauszusehen, wird die Braut gehörig gebadet, während der Bräutigam, der Herr, so gut wie trocken bleibt.

Hierauf kommt der Schwiegervater mit zahlreicher Freundschaft zu Tische und wird auf das Höchste geehrt und auf das Festlichste bewirtet. Dasselbe widerfährt dem Bräutigam, wenn er am Dienstag mit seinen Verwandten beim Schwiegervater speist. Ist er von ihnen nach Hause zurückgeleitet worden, so entfernen sie sich bald, nur der "wlam" bleibt und bleibt, bis endlich der Bräutigam durch alle mögliche Versprechungen von Geschenken und Festlichkeiten auch ihn aus dem Hause schafft. Dann lässt der Bräutigam sich zu Bette führen und erwartet die Braut, welche ihm nach dem notwendigen Sträuben in einer Stunde zugeführt wird. Damit ist die Hochzeit geendet, und es handelt sich nur noch darum, ob am Mittwochmorgen die Schwiegermutter mit der jungen Frau zufrieden ist oder nicht, und sie demnach zu den Ihrigen zurückschickt oder im Hause behält. Ist dies der Fall, so steht die junge Frau in aller Frühe auf und wäscht. Das ist ihre Nachhochzeit, ihre erste Tätigkeit im neuen Hause. Zwar bleibt sie das erste Jahr hindurch von schweren Arbeiten verschont, aber an Demut wird ihr um so mehr zugemutet. Die Familien leben auf altpatriarchalische Weise zusammen, Erwerb und Verdienst ist gemeinschaftlich, und ein Haus, in welchem der Vater unumschränkter Regierer ist, umschließt alle Kinder und Kindeskinder. So findet denn die junge Frau vielleicht so und so viele Schwestern ihres Mannes und ebenso viele Frauen von älteren Brüdern vor; die jungen Männer sind sämtlich als wandernde Geschäftstreibende außer Landes und kommen nur zu Besuchen heim, ein für alle Mal im Hause wohnen bloß die Alten, die Frauen und die Kinder. Von diesen muss die junge Frau auch den kleinsten Knaben mit "Herr" anreden, nicht minder jede ältere Frau als "Herrin" (zonje). Die jungen Mädchen nennt sie "Schwestern", die verheirateten Schwägerinnen "kounáte", beim Namen nur die etwa vorhandene Frau eines jüngeren Bruders. Ist ihr Mann der jüngste Sohn, liegt ihr vorzugsweise die Pflege der Schwiegereltern ob; z. B. muss sie dieselben zu Bette begleiten und vor dem Lager stehen, bis ihr erlaubt wird, sich zu entfernen.





Außer dem Hause muss sie allen ihr Begegnenden die Hand küssen, gleichviel, ob sie alt oder jung, vornehm oder gering, bekannt oder fremd sind. Dabei geht sie geschmückt, trägt ein "fés", an welchem die Goldstücke hängen, die sie vom Bräutigam und von den Hochzeitsgästen empfangen hat, und um die Stirn, kranzartig gewunden, ein weißes Tuch. Erst wenn sie Mutterhoffnungen hegen darf, vertauscht sie das "fés" mit einem einfachen Kopftuch und legt das Geld, welches ihr angehört und von ihr "kiáfa ime" (mein Hals) genannt wird, auf Zinsen. Haben dann ihre Hoffnungen sich verwirklicht, so scheut sie sich nicht mehr, im Beisein Anderer, selbst ihrer Schwiegereltern, mit ihrem Mann zu plaudern oder ihn beim Namen zu nennen, lauter Dinge, welche bis dahin gegen allen Anstand gewesen wären.

Eine Eigentümlichkeit ist es, dass die Bewohner verschiedener Striche mit einander in Ehegemeinschaft stehen, andere wieder, gemeinschaftlicher Abstammung wegen, sich nicht mit einander verheiraten dürfen. Zu den ersteren gehören die Riçaten und die ihnen benachbarten Ljuntscharioten, zu den letzteren die Bewohner von Holti und Schrkieli, welche sämtlich ihre Frauen von auswärts holen und ihre Töchter in die Fremde verheiraten.

Im Übrigen wird bei den Bergstämmen des Bistums Skodra die Frau ebenfalls gekauft und zwar für dreihundertdreißig Piaster, von denen der Vater dreihundert und die Mutter dreißig erhält. Die Zeit der Verheiratung fällt später, bei den Männern zwischen zwanzig bis fünfundzwanzig, bei den Mädchen zwischen sechzehn bis zwanzig Jahren, nur bei dem einzigen Sohn macht man eine Ausnahme und verheiratet ihn auch hier früher. Verlobung und Heimführung sind meistens ein Jahr aus einander; die kirchliche Einsegnung folgt nicht immer unmittelbar auf die letztere, sondern wird manchmal bis zum ersten Kind aufgeschoben.

Bei den Stämmen im Bistum Pulati finden wieder die Verlobungen zwischen Wiegenkindern statt. Drei oder vier Verwandte des Knaben setzen nach einem Abendschmaus im Hause des Mädchens den Kaufpreis für dieses fest. Gewöhnlich beträgt er vier- bis achthundert Piaster, und heißt "Entfernungsgeld". Die Verlobung wird am nächsten Morgen durch eine Pistolensalve angekündigt; die erste Rate des Kaufpreises wird "Ringgeld" genannt. Sobald dieses bezahlt ist, betrachtet die Familie des Mannes das Mädchen als ihr Eigentum, und wenn dessen Verwandte es anderweitig verheiraten wollten, würde Blutfeindschaft entstehen.

Nicht überall herrscht die Sitte, die Braut zu kaufen: in Argyrokastron, in Jannina, in Skodra selbst, ja sogar in Dragóti, einem Orte, welcher von den Riçadörfern nur durch den Wiussafluß getrennt ist, erhält bei den Mohammedanern so gut wie bei den Christen die Braut eine mehr oder minder beträchtliche Mitgift. Ebenso geschieht es bei den Albanesen, welche im Erzbistum Antiwari zwischen der Meeresküste und dem westlichen Ufer des Sees von Skodra wohnen. Die Männer heiraten hier mit fünfundzwanzig, die Mädchen mit neunzehn oder zwanzig Jahren. Zwischen Verlobung und Heirat verstreichen drei Jahre, die Festlichkeiten bei jener beschränken sich auf Austauschen der "Zeichen", Gewehrsalven und Branntweintrinken. Zur Hochzeit versammeln sich am Sonntag Abend Freunde und Verwandte im Hause des Bräutigams, zechen die Nacht hindurch und ziehen am Montagmorgen nach dem Hause der Braut. Drei von der nächsten Verwandtschaft gehen hinein und holen die Braut, während der große Haufe vierzig Schritte von dem Hause stehen bleibt und mit Branntwein bewirtet wird. Die Freundschaft der Braut geleitet diese nur bis an die Tür des Bräutigams und kehrt dann zum Schmausen in das bräutliche Haus zurück. Die Braut wird inzwischen in ihrer neuen Familie auf einen Stuhl niedergesetzt und bekommt auf den Schoß ein kleines Kind, mit dem sie sich erhebt und drei Mal umdreht. Dass bei dem Hin- und Herziehen die Gewehre nicht schweigen, braucht nicht erst erwähnt zu werden. Albanien, das antikromantische Verbindungsland zwischen Dalmatien und Hellas, gehört zu den unzivilisierten Gegenden, deren wilde Söhne den Geruch des Pulvers und gelegentlich auch den des Blutes noch lieben.